Beinamputation - Tagebuch

23. April

Um halb sechs Uhr abends komme ich wie üblich in die Wohnung. Mein Freund hat schon brav die Hasenpemmerl im Wohnzimmer (wo die Hasen 24 h Freilauf haben) aufgesaugt. Er meint nur, dass die Hasis heut extrem ruhig sind. Princess sei seit 2 h nicht mehr aus dem Häuschen gekommen. Ich denke mir nur „oh, oh“, und gehe zum Käfig und rufe ihren Namen. Sofort erscheint ihr Kopf bei der Türe und sie hinkt heraus. Ich nehme sie aus dem Käfig und sofort sehen wir was passiert ist: Der linke Hinterfuss hängt unnatürlich herunter. Er baumelt richtig hin und her. Blut ist nirgends zu sehen. Den Zustand des Tieres urteile ich als stabil.

Der Unfallhergang wurde von uns zwei zwar nicht beobachtet, aber es ist ziemlich nachliegend, dass Princess, beim Spazierengehen auf dem Käfig im Gitter hängengeblieben und sich so den Fuss in der Panik regelrecht abgerissen hat.

Sofort wird mein TA verständigt (Hauptgebiet allerdings Pferde). Er gibt sofort zu, dass er mit diesem Fall überfordert ist und schickt mich in die Uniklinik Wien, wo er mich auch schon auf der Chirurgie Kleintiere anmelden will.

Die Princess wird in eine Kiste getan, und schon geht’s los. Es ist wieder mal Abendverkehr und die Strassen sind voller Autos, langsam quälen wir uns zur Klinik vor. Nach ca. 1 h kommen wir dort an. Dort hab ich gleich mal den ersten Streit. Wir müssen in die Erstdiagnostik. Ich pfauche den Arzt an, dass ich sehr wohl einen Beinbruch, der so eindeutig ist, feststellen kann und selber weiss, dass ich in die Chirurgie gehöre. Als er anfängt meine Daten zu erfragen, zucke ich aus. Ich lasse meinen Freund bei ihm und rase in die Chirurgie.

Dort dauert es mal ewig, bis die Türe geöffnet wird. Ich habe schon zweimal Pferde zur OP in die Klinik geführt und immer wurde ich von einem mehrköpfigem Ärzteteam schon empfangen. Doch diesmal ist es anders. Der Arzt gibt mir auch gleich zu verstehen, dass die Chancen für das Kaninchen nicht gut sind. Er rasiert und desifiziert das Bein und verbindet es dann. Mein Freund fragt, wann denn operiert wird: Morgen früh ist die Antwort. Mein Freund meint, ob denn hier nicht die Gefahr besteht, dass das Bein abstirbt. „Ich bin seit 33 Jahren Professor der Chirurgie, wollen Sie mir meinen Job erklären“ ist die Antwort. Nachdem Princess mit diversen Schmerzmitteln versetzt worden ist, fahren wir heim.

24. April

Um 9 Uhr morgens kommt der erste Anruf aus der Klinik. Sie müssen mir leider mitteilen, dass das Bein nicht mehr zu retten ist. Von einer Amputation raten sie ab. Ich will trotzdem eine Amputation. Sie meinen, dass sie mich nach der OP am Vormittag anrufen werden. Um 12 Uhr ist Princess noch immer noch im OP (auf meine Nachfrage hin). Um 15 Uhr wird mir mitteilt, dass sie während der Narkoseeinleitung einen Atemstillstand hatte, die OP wurde abgebrochen. (Der Anruf war wieder von mir aus)

Ich verlange den Namen des Arztes, der uns aufgenommen hat und den Namen seines Vorgesetzten. Widerwillig gibt mir die Sekretärin die Infos. Ich bin soweit, dass ich den Arzt bei der nächsten Gelegenheit zusammenschlage, ausserdem bin ich schon fast bei der Presse (ich hatte schon drei Pferde in der Klinik und genug gesehen).

15 min später ruft mich der mich aufnehmende Arzt an. Er meint, es hätte ein Kommunikationsproblem gegeben. Er erklärt mir, dass das Kaninchen nicht sofort operiert werden hätte können, weil erst der Kreislauf hätte stabilisiert werden müssen (war allerdings stabil). Auch bei Hermann Maier hätte man warten müssen und wenn man sofort nakosiert, ist die Sterberate besonders hoch. – Ich will wissen, wann ich mein Hasi besuchen darf. Es gibt keine Besuchszeiten. Ich sage, ich werde nach der Arbeit vorbeikommen und aus.

Mit meinem Freund fahre ich gleich nach der Arbeit durch ganz Wien in die Klinik. 1,5 h brauchen wir für die Strecke. In der Klinik werden wir erwartet und sofort zu unserer Princess geführt. Ohne den Wunsch zu äussern wird sofort eine Ärztin gerufen, damit wir mit ihr sprechen können. Sie ist sichtlich sehr im Stress, steht uns aber eine halbe h Rede und Antwort. Auch sie rät von einer Amputation ab – Princess könne ohne Hinterbein kein würdiges Leben mehr führen.

Mein Freund und ich sind noch eine halbe h bei unserer Kleinen. Erst sitzt sie aphatisch in der Ecke, aber auf einmal „dringen“ unsere Stimmen zu ihr durch und sie kommt sofort hervor und fängt endlich an zu fressen. Sie hat jetzt einen munteren Ausdruck in den Augen und wir entscheiden, dass wir einen neuerlichen OP-Versuch am nächsten Tag starten wollen.

Mein Freund „rät“ mir dann noch, sie einschläfern zu lassen, wenn sie den zweiten Anlauf auch nicht packt. Er ist der Meinung, dass ihr Kreislauf mit den Giftstoffen im Bein, dann nur noch schlechter wird und die Narkose dann erst recht nicht wirken kann.

25. April

Ohne die Klinik vorher zu informieren, fahren wir nach der Arbeit (Frühschluss) in die Klinik. Unser Mädl liegt gerade auf dem OP-Tisch (ich wurde wieder mal vorher nicht darüber informiert, obwohl es vereinbart war). Wir fahren wieder – man wird uns anrufen, sobald die OP beendet ist. Wieder kommt kein Anruf. Um 19 Uhr tauchen wir wieder in der Klinik auf. Meine Princess hat die OP überstanden. Wir werden zu Ihrem Käfig (übrigens zwischen lauter Katzen) geführt. Sie schaut von den Augen her sehr fertig aus. Die Halskrause hat sie sich bereits erfolgreich abgestreift. Überglücklich fahren wir nach Hause.

Um 9 Uhr abends informiert mich meine Mutter, dass die Klinik wieder angerufen hat. (bei meiner Mutter – wahrscheinlich haben sie sich nicht mehr getraut, mich anzurufen). Voller Sorge rufe ich an. Man sagt mir, dass ich leider nicht informiert worden bin, dass ich Princess bei meinem zweiten Besuch hätte nach Hause nehmen können. Ich sage, ich werde sofort losdüsen und sie holen. Man sagt mir, um halb elf Uhr abends kann ich kein Tier mehr holen. ICH KANN.

388 Euro leichter aber dafür mit einem lebenden Kaninchen kommen wir um Mitternacht endlich wieder in der Wohnung an. Princess wird in den Käfig getan. Ihre Mitbewohnerin, Queenie muss ausziehen. Sie darf nun im Wohnzimmer hausen. Princess sieht man richtig an: daheim ist daheim. Ich denke es war sehr wichtig für ihre Psyche sie so schnell wie möglich wieder zu uns zu holen.

Wir müssen jetzt ins Vorzimmer übersiedeln und rauchen dort unsere Zigaretten, schliesslich soll unser Mäderl es ruhig haben.

Für 2, 5 Tage haben wir Spritzen mitbekommen, die alle 8 h in die Maultasche gespritzt gehören. Dieses Unterfangen erweisst sich als äussert schwierig. Gezeigt haben wir es auch nicht bekommen. Wir machen es halt so gut, wie möglich.

Die nächsten Tage:

Princess hüpft im Käfig schon herum. Bei einem Freilaufversuch rast sie wie irre durchs Zimmer – so als wolle sie testen, ob sies noch kann. In den Kurven „bricht sie hinten aus“. Bei den Putzversuchen – sie will beide Vorderpfoten zum Gesicht heben, fliegt sie um. Sie hat doch sehr viel Gewicht verloren (war vorher optisch gleich mit Queenie – scheint nur noch die Hälfte zu sein).

Queenie geht extrem auf sie los. Wir müssen sehr auf Princess aufpassen. Die Halskrause tun wir ihr schon nach 6 Tagen runter, die Ohren sind nach vorne abgeknickt und auf der Rückseite ganz offen. Ohne Halskrause scheint Princess gleich viel viel glücklicher zu sein. Schmerzen in dem Sinn scheint sie nicht zu haben.

Was nicht so toll zum angucken ist, ist wie sie versucht mit dem nicht vorhandenen Bein ihr Ohr zu kraulen.

Von Tag zu Tag kann sie mehr hoppeln – sie bekommt auch relativ viel Körnerfutter. (2 x täglich eine halbe Hand).

Nach 11 Tagen ziehen wir ihr selbst die Fäden. Kein Stich ist geeitert. Alles verheilt schön. Da Fell beginnt wieder zu wachsen.

Nach 12 Tagen reicht es: Queenie ist nur noch sauer, knurrt nur noch durch die Gegend und ist extrem aggressiv. Ich habe eine Theorie und sie bestätigt sich: wir sperren beide Ninis in den Käfig und beide sind glücklich und friedlich. Schlafen aufeinander und kleben ständig zusammen. Die Kämpfe sind vorbei.

Heute sind 20 Tage seit dem schrecklichen Unfall vergangen. Princess geht’s blendend. Sie hoppelt munter durchs Zimmer, wenn sie sich aufstützen kann, schaut sie auch mal wo drüber.

Wir werden den Ärzten ein Video schicken. Denn dieses Leben ist lebenswert!!!

Aber eines haben wir gelernt:

Der Käfig ist nicht mehr „bespringbar“. Da stehen jetzt die Meerschweinchen drauf. Hätte ich nur einen Hinweis darauf gefunden, dass dieses Unglück schon jemanden passiert ist, hätte ich reagiert, bevor Princess ihr Bein und auch fast ihr Leben verloren hat.

Bitte denkt daran: Die Aussage, meine springen eh nicht rauf ist einfach nur bullshit. Legt ne passgenaue Holzplatte drauf, oder sichert den Käfig sonst irgendwie. Dieser Unfall hätte nicht passieren dürfen!


Autorin: Schnee_flo

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